Agrarwende: das ferne Ziel im Blick?

Gedanken zum ZEIT-Artikel "Mehr Zukunft auf den Acker" (ZEIT Nr. 3/2020; Grafik: ZEIT)
Gedanken zum ZEIT-Artikel "Mehr Zukunft auf den Acker" (ZEIT Nr. 3/2020; Grafik: ZEIT)

"Die Agrarpolitik der Gegenwart (...) ist auf akuten Ausgleich bedacht und führt daher auf lange Sicht oft in die Irre. Was aber, wenn Politik nicht nur den nächsten Schritt, sondern das ferne Ziel in den Blick nähme – und dann ihre Schritte konsequent daraufhin prüfen würde, ob sie zu diesem Ziel führen?" Das Zitat stammt aus einem aktuellen ZEIT-Artikel. Autor Andreas Sentker hat mit dieser Aussage einen sehr wichtigen Punkt getroffen, der geeignet wäre, den aktuellen Debatten um die Landwirtschaft der Zukunft (und zugleich: die Zukunft der Landwirtschaft) eine gute Richtung zu geben: Wenn die Politik mit uns Landwirten messbare Ziele vereinbart, anstatt Maßnahmen vorzugeben und pauschale Verbote auszusprechen, dann bleibt uns genau der Spielraum, den wir brauchen, um auf lange Sicht die (ökologisch und ökonomisch) richtigen Entscheidungen fällen zu können. Ein messbares Ziel kann z. B. die Erhöhung der Insektenvielfalt auf den Ackerflächen sein. Wie dieses Ziel erreicht wird (ob z. B. durch blühende Untersaat, Mischkultur, mehrjährige Blühstreifen oder andere Maßnahmen), sollte jeder Landwirt selbst, in enger Zusammenarbeit mit naturschutzfachlich ausgebildeten Beratern, vor Ort und ganz konkret für seine Flächen entscheiden dürfen. Letzten Endes kann kaum jemand diese Flächen (und damit die Umsetzbarkeit der Maßnahmen) so gut kennen, wie jemand, der ihre Eigenschaften sozusagen schon mit der Muttermilch aufgesogen hat (allein unsere Familie wirtschaftet hier in Rettmer schon seit 19 Generationen - wir kennen hier gefühlt jede Ameise mit Vornamen!). Was uns bisher noch fehlt, ist ein tieferes Verständnis für die komplexen natürlichen Zusammenhänge und Kreisläufe (Biodiversität, Boden, Mikroklima, Einfluss von Nützlingen, um nur einige Stichpunkte zu nennen). Auch dank F.R.A.N.Z.-Projekt und durch den intensiven Austausch mit dem Naturschutz lernen wir aber jeden Tag dazu und kennen jetzt schon eine ganze Reihe an Maßnahmen, die hier für uns sehr gut funktionieren, um das genannte Ziel (und weitere) zu erreichen. Wäre doch schön, wenn man am Ende sagen könnte: hier auf unseren Flächen summt und brummt es wieder! Viel schöner, als eine nach Agrarantragsvorgaben perfekt angelegte Liste der durchgeführten Maßnahmen, die nichts darüber aussagt, ob es denn jetzt wirklich mehr Vielfalt auf unseren Flächen gibt, oder?